Zusammenfassung der Bielefelder Studie


Zusammenfassung

Die Pflegesachverst�ndigen Maria Penzlien und Christine Schmidt haben f�r Sie die Kernpunkte des Papiers zusammengefasst.

Die Zusammenfassung steht Ihnen auch als PDF-Datei zum Download zur Verf�gung:


Einleitung
Seit 1995 wird der Begriff Pflegebed�rftigkeit und das darauf basierende Begutachtungsverfahren kritisch diskutiert Die Experten haben ihre Beanstandung an dem verrichtungsbezogenen, verengten Pflegebed�rftigkeitsbegriff ge�u�ert, wo Zeit als Ma�stab von Pflegebed�rftigkeit und Laienpflege als Bezugrahmen zugrunde gelegt wird. Die Problematik besteht � so die Kernaussage in der Recherche und Analyse von Pflegebed�rftigkeitsbegriffen und Einsch�tzungsinstrumenten �
(Bielefeld, 23. M�rz 2007), dass der Begriff zu eng und zu somatisch definiert worden ist. Als fehlende Faktoren wurden andere Problem und Bedarfslagen nicht ber�cksichtigt, wie z.B. die allgemeine Betreuung und Beaufsichtigung wie auch die Regularien der Ermittlung von Pflegebedarf bei Kindern.
Im Jahr 2005 verst�ndigte sich die Regierungskoalition, dieser Problematik der Definition und sich daraus ergebenen Begutachtungsverfahren anzunehmen und es wurde im November 2006 ein Beirat einberufen, der eine entsprechende Empfehlung zur Begrifflichkeit Pflegebed�rftigkeit erarbeiten soll. Daraufhin wurde eine wissenschaftliche Studie initiiert, die eine Begleitung f�r diesen Prozess bilden soll. Nach der offiziellen Ausschreibung wurde das Institut f�r Pflegewissenschaften an der Universit�t Bielefeld mit der Durchf�hrung von diesem Projekt beauftragt.
Die Aufgabenstellung in diesem Projekt bestand darin, eine umfassende nationale und internationale Recherche sowie eine Analyse und Bewertung von Pflegebed�rftigkeitsbegriffen sowie deren Begutachtungs- und Einsch�tzungsinstrumenten vorzunehmen. Die Zielsetzung lautet, eine Wissensgrundlage f�r die Neufassung des Pflegebed�rftigkeitsbegriffes und eine Angleichung des Begutachtungsverfahrens aufbauen zu k�nnen.

Problemhintergrund
Die aktuelle Pflegeversicherung basiert auf 4 Grundaussagen:
1. � 14 SGB XI Verrichtungen im Bereich K�rperpflege, Ern�hrung, Mobilit�t und hauswirtschaftliche Versorgung
2. dauerhafte Unterst�tzung ( mind. 6 Monate)
3. Der Grad der Pflegebed�rftigkeit ist abh�ngig von der Art, der Dauer und H�ufigkeit der ben�tigten Hilfeleistungen
4. Zeitfaktor, den eine Laienpflege f�r diese Pflegeverrichtungen ben�tigen w�rde.
Diese Festlegung unterscheidet sich von vielen anderen nationalen Eckpfeilern, wobei die bestehenden Leistungsanspr�che nur einen verh�ltnism��ig schmalen Ausschnitt des Unterst�tzungsbedarfs bieten. Die Bereiche der psychischen Erkrankungsbilder wie auch die Auswirkungen von gesundheitlichen Einschr�nkungen auf die Krankheitsbew�ltigung finden keinen Raum. In anderen L�ndern treffen noch Aussagen �ber Altersgrenzen, Institutionalisierungsrisiko, finanzielle Situation der Betroffenen sowie das famili�re Umfeld zu, um eine Regelung der Hilfe bei Pflege zu leisten.
Der Begriff Pflegebed�rftigkeit spricht zurzeit nur einen Ausschnitt der Gesamtheit der Hilfebed�rftigkeit an, wobei der Pflegebedarf als ein Teil der pflegerischen Intervention zu verstehen ist. Vor diesem Hintergrund ist es dann kaum m�glich, Normzeiten f�r die individuelle Pflege zu entwickeln. Die zurzeit praktizierten Orientierungswerte bilden nur eine notd�rftige L�sung und dienen nur einer Anhaltsgr��e.
Aus diesen ersten Recherchen ergab sich der wichtige Hinweis, dass Zeit ein eher ungeeigneter Ma�stab zu Beschreibung bzw. Einsch�tzung von Pflegebed�rftigkeit ist. Insgesamt sind dysfunktionale Effekte auf die Struktur und das Qualit�tsniveau der pflegerischen Versorgung zu verzeichnen und die Aspekte der Pr�vention, Rehabilitation, Palliativpflege, Beratung und edukative Funktionen sind im ambulanten und station�ren Bereich nur schwach verankert.

Methodisches Vorgehen
Es erfolgte eine umfassende Literatur- und Materialrecherche zur Sichtung des aktuellen Forschungsstandes. Unterschiedliche Assessmentverfahren wurden gesichtet und bewertet unter anderem auch die Assessmentverfahren im Bereich der Rehabilitation, die verschiedene Ankn�pfungspunkte zu m�glichen Aspekten des Pflegebed�rftigkeitsbegriffs darstellten.
Als n�chste Vorgehensweise wurde eine Recherche und Analyse von unterschiedlichen Pflegebed�rftigkeitsbegriffen durchgef�hrt. Dazu wurden Berichte und Ver�ffentlichungen aus nationalen und internationalen Organisationen der EU, der WHO, des OECD und der ANA verwendet. Ferner unterschiedliche Klassifikationssysteme aus den pflegerischen und rehabilitativen Bereichen und die unterschiedlichen Pflegetheorien bzw. Pflegemodelle.
Als n�chster Projektschritt wurden dann die gesammelten Recherchen unter dem Gesichtspunkt der Verwertung f�r den Begriff Pflegebed�rftigkeit beschaut. Dabei war es wichtig, inwieweit Instrumente unter inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten den allgemeinen Begutachtungsverfahren einsetzbar sind.
Diese Instrumente wurden unter folgenden Gesichtspunkten strukturiert und es erfolgte eine vergleichende Bewertung von Einsch�tzinstrumenten:
- Inhaltlicher Aspekt
- Formale Struktur
- Methodische G�te
- Praktikabilit�t
- Besondere Anforderungen
Gleichwertig wurde der Begriff Pflegetheorie in seiner wissenschaftlichen Entwicklung seit 1950 evaluiert, um Typenunterscheidungen und unterschiedliche spezifische theoretische Ans�tze mit Hinblick auf die Entwicklung des Pflegebed�rftigkeitsbegriffs darzustellen.
Das Fazit dieser Recherche ergab, das es Pflegetheorien gibt, die einige Kernaussagen und Schl�sselbegriffe �bertragen k�nnen, aber insgesamt ein sehr hohes Abstraktionsmodell sind.
Bei der Fragestellung der nationalen und internationalen Diskussion um Pflegebed�rftigkeit, konnte ein gemeinschaftliches Grundverst�ndnis auf internationaler Ebene erkannt werden.
Wichtige Erkenntnis lag bei der Nutzung der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsf�higkeit, Behinderung und Gesundheit � nach WHO). Diese Klassifizierung erm�glicht eine Zuordnung im Bereich der Aktivit�t und Teilhabe und eine spezifische Form der Beeintr�chtigung im Bereich dieser Aktivit�t und Teilhabe.
Es g�be dann eine Unterscheidung in:
- Verrichtungen des t�glichen Lebens gem�� der aktuellen Formulierung im SGB XI
- Aktivierungs-, Beaufsichtigungs- und Betreuungsaufwand (auch au�erhalb der oben genannten Verrichtungen)
- Behandlungspflegerische Ma�nahmen
- F�higkeit zu kommunizieren und der Bedarf an sozialer Betreuung
Die Frage der unterschiedlichen Konstruktionen der existierenden Pflegeversicherungssysteme in den L�ndern bauen sich auf folgende vier Aspekte auf:
1. Konstruktion eines Sicherungssystems f�r die �lteren oder die gesamte Bev�lkerung
2. Verh�ltnis zum Leistungsbereich und Lebensrisiken
3. Finanzielle Situation der Pflegebed�rftigen
4. Famili�re Situation der Pflegebed�rftigen
Diese vier genannten Aspekte verweisen auf die Hauptdiskussionsstr�nge, die bei der Konstruktion von Langzeitpflegesystemen international diskutiert werden.
Als Zwischenfazit wurden dann folgende Kernaussagen beschrieben:
- Krankheit oder andere gesundheitliche St�rungen oder Probleme werden verstanden als Ph�nomen, die Pflegebed�rftigkeit zugrunde liegen.
- Beeintr�chtigungen k�rperlicher oder kognitiver/ psychischer Funktionen und F�higkeiten
- Abh�ngigkeit von personeller Hilfe
- Dauerhafter oder vor�bergehende Abh�ngigkeit hat f�r die Versorgung auch unter Einbezug der Pflegetheorien keine wesentliche Relevanz.
- Individueller Unterst�tzungsbedarf
Aus den bisher dargestellten Kernaussagen ergibt sich die Kl�rung weitere Fragen, vor allem welche Aktivit�ten und Lebensbereiche, die bedingt durch gesundheitliche Beeintr�chtigungen nicht mehr autonom bew�ltigt werden k�nnen, zu ber�cksichtigen sind und wie sie sich darstellen lassen.
Unter Gegen�berstellung unterschiedlicher Pflegemodelle konnte recherchiert werden, dass mehrere Vorschl�ge zur Systematisierung von Pflegebed�rftigkeit vorliegen, die sich auch sehr diskussionsw�rdig erweisen. Es existiert bisher jedoch keine Systematik, wo eine vorbehaltlose �bernahme von Seiten der wissenschaftlichen Untersuchung bisher empfohlen werden kann.

Instrumentenentwicklung und -akkreditierung in anderen L�ndern
Als n�chster Projektschritt stand im Mittelpunkt der Recherche die Suche nach einem geeigneten Instrument f�r ein Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Pflegebed�rftigkeit. Dabei vereinigten die Projektgruppe die Erfahrungen von den USA, Japan, Gro�britannien, Nordirland, Australien und Neuseeland. Die L�nder sahen ihre Bem�hungen darin, �lteren Menschen eine angemessene und zeitnahe Hilfe bei gesundheitlichen und sozialen Problemlagen zukommen zu lassen oder auch innerhalb ihrer Untersuchungen von etablierten Instrumenten, die Identifikation eines umfassenden, reliablen und validen Verfahrens zur Bestimmung des Bedarfs an Pflegeleistungen zufinden. Die Erforschungen des Projektteams ergaben:
In den USA wurde Ende der 80er Jahre die Entwicklung eines standardisierten Assessmentverfahrens f�r die Bewohner von Pflegeheimen initiiert (Kane/Kane 2000). Mit der Einf�hrung des �Resident Assessment Instrument� (RAI) wurde die Anwendung notwendig in allen Einrichtungen, die eine Refinanzierung �ber Medicare und Medicaid erhalten.
In Japan wurde nach l�ngerer Diskussion die Einf�hrung eines national einheitlichen Begutachtungsverfahrens entschieden, mit dem gew�hrleistet werden soll, dass die Gutachter bei der Einsch�tzung der Pflegebed�rftigkeit zu gleichen Resultaten gelangen und der Bedarf als standardisierte Einheit dargelegt wird.
In Gro�britannien wurde im Jahr 2002 der Single Assessment Process (SAP) initiiert (De�partment of Health 2007). Der SAP ist integriert in den National Service Framework, in dem die Hilfs-und Unterst�tzungsangebote f�r �ltere Menschen geregelt sind.
In Nordirland wurde durch die University of Ulster eine Analyse zu Assessmentinstrumenten durchgef�hrt (McCormack/Slater 2002).Trotz der begrenzt verf�gbaren Angaben zur methodischen G�te des RCN Assessment Tools wurde abschlie�end empfohlen, auf der Grundlage dieses Instruments ein eigenes Verfahren f�r die Einsch�tzung des Bedarfs �lterer Menschen in Nordirland zu entwickeln und seine Anwendung zu erproben.
In Australien Die Analyse der Assessmentinstrumente kam zu dem Schluss, dass in der methodischen G�te die Assessmentinstrumente CANE, interRAI, OASIS und EASY-Care die h�chsten Benotungen enthielten. Wichtig erschien, dass das Assessment mit Fragen des Leistungsbezugs verkn�pft sein sollte und des weiteren, w�re zu kl�ren, durch wen das Assessment erfolgen soll und zu entscheiden, in welcher Form Daten aufbereitet und verschiedenen Anwendern zur Verf�gung stehen sollen.
Auch in Neuseeland wurde die Erforschung unternommen, ein standardisiertes und landesweites Verfahren zur Einsch�tzung des Hilfe- und Pflegebedarfs bei �lteren Menschen zu erkennen (Martin/Martin 2003). die Instrumente, die zur n�heren Analyse herangezogen wurden eingeteilt nach ihrem Charakter:
- vier komplexe Instrumente (Contexio Geriatric Assessment Wizard; CANE, FACE, MDS-HC),
- sechs Instrumente f�r ein �bersichtsassessment (EASY-Care; 75+Health Assessment; CANE-short; FACE-Triage; MDS-HC Overview; MDS-HC Overview+) sowie
- zwei Screening-Verfahren (STEP; VES-13) wurden in die Analyse aufgenommen.
Die Projektgruppe bemerkt: ein Assessment muss flexibel genug sein, um f�r verschiedenste Verwendungsabsichten eingesetzt werden zu k�nnen. Es sollte bei Sicherungssystemen eine differenzierte Versorgungsplanung zulassen und die inhaltlich-fachlichen und sozialrechtlichen Gesichtspunkten integrierbar sein.

Auswahl und �bersicht zu den Instrumenten
Es wurden insgesamt 40 Instrumente untersucht. Die Instrumente lassen sich nach Aussage der Experten in komplexe Instrumente, d.h. mit detailliertem Bedarf, und spezifische Instrumente, d.h. Instrumente die ausdr�cklich auf bestimmte Zielgruppen oder Teilbereiche eines Pflegebedarfs ausgerichtet sind, unterscheiden.
Komplexe Instrumente, die auch die Pflegebed�rftigkeit oder Pflegebedarf in den k�rperlichen, kognitiv-psychischen und sozialen Bereichen darstellen. Wichtig waren auch f�r die Auswahl und Bewertung der verschiedenen Instrumente die jeweiligen Verwendungsm�glichkeiten. Folgenden Instrumente wurden zur vertiefenden Analyse ausgew�hlt:
BESA (BewohnerInnen � Einstufungs- und Abrechnungssystem)
CANE (Camberwell Assessment of Needs for the Elderly)
CAT (Cambridgeshire Assessment Tool)
Care Needs Assessment Pack for Dementia (CarenapD)
EASY Care
Ergotherapeutisches Assessment
FACE (Functional Assessment of the Care Environment for Older People)
FIM (Functional Independence Measure)
HART (Handicap Assessment and Resource Tool)
NOAT (Northamptonshire Overview Assessment Tool)
NOSGER (Nurses� Observation Scale for Geriatric Patients)
OASIS (Outcome and Assessment Information Set)
PAS (Pflegeabh�ngigkeitsskala)
PGBA (Pflegegesetzadaptiertes Geriatrisches Basisassessment)
RAI 2.0 (Resident Assessment Instrument)
RAI HC (Resident Assessment Instrument Home Care)
RUM (Resource Use Measure)
RCN Assessment (Royal College of Nursing�s Older People Assessment Tool)
SCoTTs (Service Coordination Tool Templates)
Sic Pflegeassistent 1.8
STEP (Standardised Assessment for Elderly Patients in Primary Care)
Keines der oben aufgef�hrten Instrumente kann ohne Einengung f�r die Begutachtung der Pflegebed�rftigkeit im Rahmen des bundesdeutschen Sozialversicherungsrechts empfohlen werden. Positive Empfehlung wurden f�r. EASY Care, Functional Assessment of the Care Environment for Older People (FACE), Resident Assessment Instrument 2.0 (RAI 2.0), Resident Assessment Instrument Home Care (RAI HC) wegen ihrer inhaltlichen Reichweite und ihrer vielf�ltigen Verwendungsm�glichkeiten ausgesprochen.
Von den spezifischen Instrumenten erhielten nach der Bewertung der Experten nur drei eine Empfehlung zur Pr�fung einer weiteren Verwendbarkeit. Alzheimer�s Disease Assessment Scale (ADAS), Behavioural Pathology in Alzheimer�s Disease Scale (BEHAVE AD), und Cohen Mansfield Agitation Inventory (CMAI)

Die Einsch�tzung der Pflegebed�rftigkeit von Kindern
Die Feststellung der Pflegebed�rftigkeit von Kindern die auch von den Experten, MDK und Elternschaft kritisiert wird. a Im September 2006 trat eine neue Fassung der Begutachtungsrichtlinien in Kraft (MDS 2006), die auch einige �nderungen des Begutachtungsverfahrens bei Kindern beinhaltet. Pflegezeitaufwand scheint im Falle von Kindern noch weniger als bei Erwachsenen ein geeigneter Ma�stab zu sein. Au�erdem stellt sich nach wie vor die Frage nach der Eignung des SGB XI-Verrichtungskatalogs f�r Kinder. Die aktuelle Initiative zur �berpr�fung und Neufassung des Pflegebed�rftigkeitsbegriffs er�ffnet daher auch eine Chance, die Problematik der Kinderbegutachtung zu l�sen.
Es existieren zwar eine Vielzahl von Einsch�tzungsinstrumenten, die f�r Kinder, Verfahren f�r symptomatische Anwendungen im Funktions- und Entwicklungstests mit den Hauptanwendungsgebieten in therapeutischen, rehabilitativen oder p�dagogischen Settings. Bei der Sichtung der Assessment konnten die Wissenschaftler feststellen, dass keines von ihnen als hinreichend geeignet f�r den Einsatz im Rahmen der Kinderbegutachtung. Die Recherche nach spezifischen, explizit auf Kinder zugeschnittene Assessments ergab lediglich Hinweise auf drei Instrumente, Es handelt sich um: PEDI (Pediatric Evaluation of Disability Inventory), � WeeFIM, � KITSI. Eine Empfehlung zur Verwendung eines dieser drei Instrumente kann nicht ausgesprochen werden.

Das alternative Begutachtungsverfahren der MDK-Gemeinschaft
Zu den oben schon aufgef�hrten Assessment wurden in den Studien auch das alternative Begutachtungsverfahren (zuk�nftig ABV) der MDK-Gemeinschaft analysiertb. Die Entwicklung des ABV ist noch nicht beendet. Der Arbeitsgruppe lagen zur Erforschung alle Kriterien des ABV vor, die bei der Feststellung der Pflegebed�rftigkeit zum Verfahren kommen sollen.
Insgesamt werden 11 Bereiche, 50 Merkmale der Selbst�ndigkeit und rund 40 weitere Aspekte des Unterst�tzungsbedarfs unterschieden:
1. Mobilit�t (8 Merkmale der Selbst�ndigkeit/Unselbst�ndigkeit)
2. K�rperpflege (8 Merkmale)
3. An- und Auskleiden (3 Merkmale)
4. Essen und Trinken (6 Merkmale zzgl. Erfassung der Sonden-/parenteralen Ern�hrung)
5. Ausscheiden (5 Merkmale zzgl. Erfassung k�nstlicher Ableitungen)
6. Sicherheitsaspekte (5 Merkmale)
7. Besch�ftigung und Tagesgestaltung (4 Merkmale)
8. Kommunikation und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (6 Merkmale)
9. Haushalts- und Lebensf�hrung (6 Merkmale)
10. Gesondert zu ber�cksichtigende Hilfen (allgemeine Beaufsichtigung und Betreuung, n�chtlicher Hilfebedarf, Begleitung bei Arzt-/Therapeutenbesuchen, Begleitung bei Ak�tivit�ten au�erhalb der H�uslichkeit)
11. Spezielle Pflegema�nahmen (Hilfebedarf bei 27 Einzelma�nahmen).
So bem�ngeln die Wissenschaftler, dass psychische Problemlagen und deren Verhaltensweisen, (z.B. bei Dementen) viel zu schwach gew�rdigt wurden. Das ABV- Instrument erm�glicht keine differenzierte Einsch�tzung gesundheitlicher Risiken, die f�r prophylaktische Ma�nahmen relevant sein k�nnten. Eine Erfassung des Hilfsmittelbedarfs ist im ABV auch nicht vorgesehen. Das Erhebungsinstrument sieht keine M�glichkeit vor, au�ergew�hnliche Bedarfslagen (H�rtef�lle) systematisch darzustellen.
Die 51 Merkmale zur Selbst�ndigkeit in den Bereichen 1 bis 9 (s.o.) werden nach einer einheitlichen, vierstufigen Skala kodiert. Sie umfasst die Auspr�gungen: �selbst�ndig�, �mit m��iger personeller Hilfe�, �mit betr�chtlicher personeller Hilfe�, und �nicht selbst�ndig�. Die Auspr�gungen eines jeden Merkmals werden spezifiziert. Der jeweilige Grad der Selbst�ndigkeit ist mit einem Punktwert verbunden, der die Werte 0 bis 3 vorgeben kann. Gem�� den Erl�uterungen im Erhebungsbogen sind alle Merkmale zur Einsch�tzung der Selbst�ndigkeit in den Bereichen 1 bis 9 gleichbedeutend gewichtet. Es kann im Gesamtergebnis ein Wert von bis zu 150 Punkten errechnet werden.
Die Eignung des ABV zur Einsch�tzung der Pflegebed�rftigkeit von Kindern wird als eher fraglich gesehen. Dazu m�sste die Bewertungssystematik, so die Experten, spezifische Gewichtungen und Schwellenwerte f�r die Kinderbegutachtung ber�cksichtigen. In den Erl�uterungen zum ABV finden keine Erkenntnisse dar�ber, wie solche Gewichtungen und Schwellenwerte innerhalb der vorliegenden Systematik zuk�nftig definiert werden k�nnten. Auch m�ssten bestimmte Merkmale zur Einsch�tzung der Pflegebed�rftigkeit auf Kinder zugeschnitten werden, wie z.B. die Module �Sicherheitsaspekte�, �Besch�ftigung/Tagesgestaltung�, �Kommunikation und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben� sowie �Haushalts- und Lebensf�hrung� sind anpassungsbed�rftig.
Bei der Adaption und Kombination von Einsch�tzungsinstrumenten wird darauf hinzuweisen, dass eine definitive Entscheidung f�r oder gegen ein Instrument letztlich von der Neufassung des Pflegebed�rftigkeitsbegriffs abh�ngig gemacht werden muss.
Zwei Entscheidungsrechte wurden von den Experten empfohlen
Fallen die Entscheidungen auf eines der traditionellen Instrumente (FACE, EASY Care oder RAI) inkl. das alternative Begutachtungsverfahren der MDK-Gemeinschaft, dann w�re zu bedenken, dass m�gliche Anpassungen und/oder Kombinationen mit anderen Instrumenten weitreichende Fragen inhaltlicher, methodischer, praktischer und ggf. lizenzrechtlicher Art aufschlagen, mit einem hohen Aufwand verbunden w�ren und voraussichtlich viel Zeit in Anspruch nehmen w�rden.
W�rde dazu entschieden, ein Begutachtungsinstrument ohne R�ckgriff auf verf�gbare Assessmentverfahren zu aktivieren und mit dem Prozess der �berpr�fung und Neufassung des Pflegebed�rftigkeitsbegriffs eng zu verkn�pfen b�ten sich bessere Aussichten, innerhalb des festgelegten Zeitplanes f�r die Assessment Entwicklung zu effektiven Resultaten zu kommen.

Kritikfelder
Die derzeitige Prozedur ein neues Begutachtungsinstrument zu entwickeln ist kontraindiziert. Die komplexere und erfassendere Herangehensweise w�re:
- Neubildung des Pflegebed�rftigkeitsbegriff
- Leistungsrechtliche Zuordnung zur Kostenverantwortung (wer ist leistungsberechtigt und welche Leistungen werden erbracht)
- Entwicklung des Begutachtungsverfahren
Bei den derzeitigen Bem�hungen des ABV der MDK-Gemeinschaft ein allgemeing�ltiges Begutachtungsinstrument zu entwickeln wird die Frage der Kinderbegutachtung stark vernachl�ssigt. Auf die Erforderlichkeit von besonderen �H�rtef�lle� wird im ABV nicht eingegangen. Das Erhebungsinstrument sieht keine M�glichkeit vor, au�ergew�hnliche Bedarfslagen festzustellen, Eine Erfassung des Hilfsmittelbedarfs und eine differenzierte Einsch�tzung gesundheitlicher Risiken, die f�r prophylaktische Ma�nahmen relevant sein k�nnten ist nicht geplant, diese Vorgehensweise ist nicht nachvollziehbar.
Bei der Entwicklung des neuen Pflegebed�rftigkeitsbegriff und des ABV w�ren noch die Implementierung von zus�tzlich unabh�ngige externen Beraterc (unabh�ngig von den Krankenkassen) sinnvoll gewesen.

Geh�rte Meinungen in Fachkreisen1
So richtet Herr Wolfgang Sch�tte2 seine Reformoptionen auf vier Eckpfeiler: den Begriff der Pflegebed�rftigkeit eher weit und gro�z�gig zu gestalten, sodass sich die hilfsbed�rftigen Menschen und ihre Angeh�rigen darin wieder finden k�nnen. Die Bedarfermittlung wesentlich in fachliche H�nde zu legen. Die finanz- und sozialpolitischen Grenzen und damit die Verantwortung f�r nicht bedarfsgerechte Leistung klar auszusprechen und die pflegebezogenen Leistungen weitgehend aus einer Hand zu gew�hrleisten.
Herr Felix Welti 3schrieb: ...�dass eine isolierte Reform der Pflegeversicherung keine wirksame Reform ist. Er sieht es auch als eine Kernaufgabe der Reform das normative und tats�chliche Verh�ltnis zwischen SGB IX und SGB XI, zwischen Teilhabe zu ver�ndern. ...�
Frau Katrin Auer unterstreicht4: ...�um hohe Folgekosten zu vermeiden, geht kein Weg daran vorbei, das der sozialrechtliche Begriff von Pflege mit dem sozialrechtlichen Begriff der Behinderung kompatibel gemacht wird und dass der Pflegebedarf gemeinsam mit anderen Bedarfen der Rehabilitation und Teilhabe im ganzheitlichen, aufeinander abgestimmten Verfahren festgestellt werden kann. ...�
Frau Helga Walter5 bekr�ftigt: ...�dass Erkenntnisse dar�ber vorhanden sind, was fit und gesund h�lt und wir auch verpflichtet sind daf�r zu sorgen, dass alle Menschen die M�glichkeiten haben sich dar�ber zu informieren und entsprechend leben k�nnen. ...�

Christine Schmidt ( www.Premio-Berlin.de)
Maria Penzlien (www.penzlien.net)